Nummer 30 | Der Beobachter
an der Elbe. Unterhaltungsblätter für Jedermann. Verlag von H. G. Münchmeyer in Dresden. 2. Jahrg. Wanda. Novelle von Karl May. |
12. Juni 1875 |
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»Ja, folglich is er keen Baron. So wollte ich sagen. Du bist een tüchtiger Kerl, Emil; ich habs ja immer gewußt! Horch! Was war das?« Ein entsetzlicher Krach hatte in diesem Augenblicke die Luft erschüttert, sodaß die Fenster zitterten und der Boden unter ihren Füßen zu wanken schien. Winter riß die Thüre auf und eilte auf die Straße. Die Anderen folgten. Sie waren es nicht allein, welche die Wißbegierde über den Ort und Grund der Explosion auf die Straße gelockt hatte. Aus allen Thüren stürzten die Bewohner der Häuser und forschten nach der Richtung, in welche sie sich zu wenden hatten, um Näheres zu erfahren. Der Eine muthmaßte Das, der Andere Jenes; aber Keiner wußte etwas Gewisses. »Ich möchte nur in aller Welt wissen,« meinte Thomas, »was das für een Schuß gewesen is!« »Wenn Du an eenen Schuß globst, so kannst Du Dir off Dein Gehör grad so viel einbilden, wie ich mir off meine Logik. Eeen Schuß hat keen solches Geprassel und Gepolter im Gefolge. Ich denke vielmehr, daß da draußen in den Felsenbrüchen 'ne Wand eingestürzt sein wird.« »I, warum nich gar! So 'ner Wand wird das im ganzen Leben nich einfallen. Dies hält ja ganz für zehn ganze Ewigkeeten.« »Na, alter Junge, mache nur een Paar weniger! Wo alle Wochen drei, vier Mal gesprengt wird, da is es wirklich keen Wunder, wenns endlich 'mal kopfüber und kopfunter geht. Es darf ja nur een Bohrloch falsch getrieben oder die Ladung zu stark abgemessen werden, so purzelt Alles zusammen.« »Ich glaube auch, daß es eher in den Felsenbrüchen als sonst wo anders gewesen ist,« nahm jetzt auch Winter das Wort. »Zwar weiß ich nicht, ob heut Arbeiter draußen beschäftigt sind, aber es muß doch so sein, und bei der ungewöhnlichen Stärke des Sprengschusses ist der Gedanke an ein mögliches Unglück jedenfalls nicht unbegründet. Ich eile hinaus. Geht Ihr mit?« »Meinswegen! Gearbeitet wird heut so wie so nich, und da is es mir alleweile ganz und gar egal, off welchem Grund und Boden ich mir die Langeweile vertreibe. Loof also nur zu, Emil. Komm mit, Heinrich!« Mit langen, raschen Schritten voranschreitend, blickte er nach einer Weile zurück, um zu sehen, ob die beiden Anderen ihm auch folgten. Und als er bemerkte, daß sie sich dicht hinter ihm hielten, fuhr er fort: »Bin zwar schon 'mal haußen gewesen, heut Morgen; thut aber nichts.« »Was hast Du denn so bei Zeiten im Freien gewollt, wenn Du so spät erst heeme gekommen bist?« »Ich bin eenmal een verkehrter Kerl. Geh ich bald zu Bette, so wache ich späte off, und gehe ich spät zu Bette, so wache ich balde off. Und wenn ich eenmal off bin, so leidet michs ooch, nich unter der Decke; ich muß 'raus. Giebts ooch keene Arbeit im Hause, so giebts doch draußen immer 'was zu thun, und wenns nur wäre, daß mer 'mal nachsieht, wie sich heuer die Erdäpfel anlassen werden.« »Ach so, Du hast ja Dein Feld da droben über den Brüchen.« »Ja. Uebrigens bin ich nich der Eeenzige gewesen, der oben 'rumgekrochen is. Unser Baron scheint ooch een Freund von Morgenkühle zu sein. Er kam aus dem untersten Bruche, als ich den Seitensteg noffging.« »Was muß denn der da drinn zu thun haben?« »Weeß es nich. Erst dachte ich, er hätte een Bohreisen in der Hand; aber es wird wohl der Spazierstock gewesen sein. Und off dem Heemwege begegnete mir Deine Königin, Emil. Se machte mir eenen freundlichen Knix und fragte mich, ob der Altan schon besetzt sei.« »Der Altan droben über dem obersten Bruche?« fragte Winter erschrocken. »Ja. Du weeßt wohl noch nich, daß se da droben der schönen Aussicht wegen ihren Stammplatz hat?« »Lauft schnell, um Gottes Willen lauft schnell!« rief der Essenkehrer jetzt und stürmte mit fliegender Hast den Anderen voran. »Na, na, na, na, alter Junge. Derwegen braucht Dir die schöne Aussicht nich so in die Beene zu fahren. Wenn se noch droben is, so treffen wir se jedenfalls, ooch wenn wir uns nich so ganz und gar außer Athem loofen.« »Kommt nur, kommt! Es handelt sich ja gar nicht um das Antreffen, sondern um das Unglück, welches hier geschehen sein kann.« »Ach so. Alle Wetter, Du hast Recht. Wenn der Knall in den Brüchen losgegangen is, so kann - na, wenn Ihr meine Weisheet alleweile nich anhören wollt, so looft meinswegen immer zu!« Der Weg hob sich vor der Stadt steil an und führte durch eine Reihe von Steinbrüchen, deren oberster seit langer Zeit nicht mehr bearbeitet wurde und den Zielpunkt vieler Spaziergänger bildete. Seine senkrecht und thurmhoch emporstarrenden Wände waren von zahlreichen Sprüngen zerrissen und zerklüftet. Die hölzerne Schutzwehr, welche seinen steilab fallenden Rand umgab, war verfault und vermodert und existirte fast nur dem Namen nach; trotzdem aber gab es Leute, welche den gefährlichen Ort gern besuchten, weil man von ihm aus einen weiten Fernblick in das rundum und weit hinaus liegende Land thun konnte. Am Häufigsten war die Polin hier zu sehen. Ihrem ungewöhnlichen Charakter behagte der Ort gerade der Gefahr wegen, und aus ebendemselben Grunde faßte sie gewöhnlich an derjenigen Stelle Posto, welche von den Anderen am sorgfältigsten vermieden wurde. Es war das der sogenannte »Altan«, ein weithinausgehender Felsenvorsprung, welcher fast jeden Haltes entbehrte und zu der Verwunderung darüber berechtigte, daß er nicht längst schon in die gähnende Tiefe hinabgestürzt sei. Zwar war der Zugang zu dem Orte streng verboten; aber Wanda// 479 //
kannte keinen Grund, dieses Verbot zu respectiren und freut sich, ein Plätzchen gefunden zu haben, auf dessen Alleinbesitz die Kühnheit ihr ein unbestrittenes Monopol gab.
Als die drei Freunde in den untersten der Brüche einbogen, bemerkten sie eine Schaar Städter, welche die gleiche Vermuthung aus der Stadt getrieben hatte. Aber ohne das Herrannahen dieser Leute abzuwarten, eilten sie vorwärts, zumal sie aus dem ungewöhnlichen Staubgehalte der Luft die Ueberzeugung nahmen, daß Gräßler sich nicht getäuscht habe. »Seht Ihr's?« rief Winter, als er um die letzte Ecke gesprungen war und das Chaos von Felsenstücken überblickte, welches vor ihm lag. Der Altan ist heruntergestürzt und hat Alles zerschmettert, was in seinem Wege lag. »Wenn die Polin sich wirklich auf ihm befunden hat, so ist sie todt!« »Droben is se ganz sicher gewesen. Und nur für kurze Zeit hat se gewiß nicht noff gewollt; denn sie hatte ihre Zeechenmappe unter dem Arme. Wir müssen suchen!« Sofort und mit Eifer gingen sie an das Werk, und besonders war es Emil, welcher von Felsen zu Felsen flog und mit Riesenkraft die Steine auseinander riß, um eine Spur der Gesuchten zu entdecken. Er war von einer Seelenangst erfüllt, wie er sie im Leben noch nie empfunden hatte. Er bemerkte nicht, daß ihm die Hände bluteten und die Kleidung von dem scharfkantigen Gesteine zerrissen und zerfetst wurde; finden, nur finden wollte er; einen anderen Gedanken gab es für ihn nicht. Und selbst als die Uebrigen ankamen und noch Andere nachströmten, hatte er für sie weder Blicke noch Worte und ruhte nicht, bis auch das letzte Trümmerstück davongewälzt und damit die Ueberzeugung gefunden worden war, daß Wanda hier nicht zu finden sei. »Laß es itzt gut sein, Emil,« mahnte Thomas. »Se kann nich droben gewesen sein, sonst hätten wir wenigstens Etwas von ihr bemerkt.« »Aber se is ooch nich derheeme,« antwortete der hinzutretende Schmied. »Ihr Wirth is da; Der weeß es ganz gewiß, daß se off dem Altan hat zeechnen wollen.« »Se kann doch ooch wo anders hingegangen sein.« »Wir müssen Ueberzeugung haben. Laßt uns einmal nach oben steigen.« Er warf einen forschenden Blick in die Höhe und schien plötzlich zu erbleichen. »Seht einmal da hinauf. Liegt nicht etwas Weißes auf dem Brombeergesträuch, welches aus der Ritze wächst?« »Das is entweder een weißes Taschentuch oder een zerknitterter Zeechenbogen. Se muß also doch dagewesen sein!« »Laßt die Anderen noch einmal Alles genau durchsuchen und kommt dann nach. Ich muß hinauf.« Er eilte zurück durch die vorderen Brüche und stieg dann den Seitenpfad empor, von welchem Gräßler vorhin gesprochen hatte. Nicht lange dauerte es, so hatten ihn, trotz der Eile, mit welcher er sich fortbewegte, die beiden Freunde eingeholt, und so schritten sie, mit scharfem Auge die gegenüberliegenden Wände musternd, längs des Felsenrandes vorwärts. »Hier hat der Altan gehangen, und hier sehe ich die Spuren eines kleinen, weiblichen Fußes im Sande. Sie gehen nicht wieder zurück, also muß sie mit hinabgestürzt sein.« »Guck 'mal, Emil, hier sind ooch noch größere Fußtapfen. Die rühren ganz sicher von eenem Männerstiefel her. Sie gehen ooch wieder retour. Wer muß denn das gewesen sein?« »Warte einmal, Heinrich. Wir müssen vorsichtig sein und die Spuren ja nicht verwischen. Man kann nicht wissen was hier geschehen ist.« Er bückte sich nieder, um die Fußtapfen einer genauen Prüfung zu unterwerfen. »Der Mann hat einen kleinen, zierlichen Fuß und trägt Sporenkasten an den Absätzen. Er ist eher dagewesen als die Polin; denn seht, die Kanten ihrer Spur sind noch scharf, während die seinigen schon eingebröckelt sind. Laßt uns sehen, ob er auch auf dem Altane gewesen ist!« »Nee, er is hierher gegangen. Alle Wetter, das sieht ja grad' so aus, als ob er immer über den Rand hinweg grad' aus in die Luft hineingeloofen wäre.« »Wohl nicht. Hier am Rande häufen sich die Spuren. Er hat also hier Stand genommen.« »Das gloobe ich nich. Drei Zoll vom Rande stellt sich Niemand her. Ooch das schwindelfreieste Auge kann das nicht vertragen.« »Du hast Recht. Halt! Hier sind zwei runde Eindrücke, wie von Knien, und hier ist der Rand abgerieben. Er ist also über demselben hinunter gestiegen.« »Das wäre mein' Seel' een Wagestück, zu dem ich ihm meinen sterblichen Leichnam off keene halbe Minute geborgt hätte!« »Und doch ist es so; eine Verwegenheit, wie sie wohl selten zu finden ist, gehört freilich dazu. Jedenfalls hat er eine Strickleiter gehabt. Suchen wir nach dem Orte, wo dieselbe befestigt gewesen ist. Er muß in dieser Richtung hier zu finden sein.« »Hier; schau 'mal her. Er hat den eisernen Keil nich wieder 'raus gebracht und ihn also vollends hineingetrieben, damit er nich bemerkt werden soll.« »Wart 'mal, Heinrich! Der Keil is noch neu, wie's scheint; er is aus zwee Stücken zusammengeschweißt; das sehe ich schon, ehe wir ihn 'rausgezogen haben. Das Ding kommt mir außerordentlich bekannt vor.« »Wieso?« fragte Winter erwartungsvoll. »Ich habe für Polizeiraths eenen machen müssen, und der wirds wohl sein. Der alte Herr hat die löbliche Angewohnheet, sich aus Gesundheitsrücksichten sein Holz höchst eegenhändig klar zu machen.« »Der Baron wohnt jetzt bei dem Rathe. Du hast heute Morgen geglaubt, ein Bohreisen in seiner Hand zu sehen?« »Ja, aber behaupten kann ich nich, daß es ooch eens gewesen is.« »Schon gut. Ihr Beide bleibt hier und bewacht die Spuren, damit sie nicht verwischt werden. Ich habe den Stadtrichter unten bemerkt; er mag die Sache näher untersuchen. Es liegt ein Verdacht nahe, und es kann nicht gar zu schwer sein, die Stiefel zu finden, von denen diese Eindrücke hier herrühren.« »Du denkst doch nicht etwa, daß der Baron seine eestene Braut -« »Ich denke jetzt an nichts weiter als an die Verpflichtung, unsere Entdeckung der Polizei mitzutheilen. Diese mag dann aus dem Gefundenen beliebig weiter schließen.« Er entfernte sich und eilte an der anderen Seite des Bruches nach unten.// 480 //
Wie vorhin, so musterte er auch jetzt mit suchenden Augen die gegenüberliegende Wand und blieb plötzlich überrascht und erschrocken stehen. Etwas von der Höhenmitte der Seitenwand war früher ein von Rissen umgebenes Felsenstück durch irgend einen Umstand abgelöst und in die Tiefe gestürzt. So hatte sich eine Höhle gebildet, welcher der Same allerlei Unkrautes, welches den Eingang fast verdeckte, vom Winde zugetragen worden war. Und dieses Gestrüpp, welches seine Zweige nach Außen an das Tageslicht drängte, war jetzt nach Innen gebogen und bildete das Lager einer Frauengestalt, welche regungslos in der Weise auf denselben niedergestreckt war, daß ein Theil des unteren Körpers über den Grund der Höhle herausragte und nur in den wenigen Dornzweigen eine zweifelhafte Stütze fand.
Es war die Polin. Die Macht der Explosion hatte sie seitwärts geschleudert, und nur Gottes Hand war es gewesen, die den Sturz so geleitet hatte, daß er nicht in die Tiefe gegangen war. Ob sie todt, ob sie noch lebend sei, Winter fragte nicht darnach. Seine Haare wollten sich emporsträuben bei dem Gedanken an die Gefährlichkeit ihrer jetzigen Lage; denn bei der geringsten Bewegung mußte sie den Halt verlieren und unten auf den Felsentrümmern zerschmettert werden. Von oben war die Höhle selbst mit einer Strickleiter nicht zugänglich, da der Rand des Bruches weit hervorragte, und von unten konnte sie wegen ihrer außerordentlichen Höhe auch durch zusammengebundene Leitern nicht erreicht werden. Es gab nur einen Weg zu ihr, und dieser eine Weg mußte sofort und ohne die mindeste Versäumniß betreten werden, wenn Hilfe überhaupt noch gebracht werden sollte und konnte. Ohne zu beobachten, daß die Nähe des Abgrundes ihm selbst Gefahr drohe, rannte er in mächtigen Sätzen den steilen und glatten Pfad hinab. Die Umstehenden sahen ihn kommen, schlossen aus der Eile, mit welcher er seinen Weg zurücklegte, daß er eine Entdeckung gemacht habe und drängten sich ihm entgegen. »Wo ist der Herr Stadtrichter?« rief er athemlos. »Hier bin ich, Herr Winter. Was giebt es?« »Verfügen Sie sich so schleunig wie möglich, aber ohne Begleitung dieser Leute hier, hinauf an die Stelle, an welcher der Altan sich befunden hat. Es erwarten Sie wichtige Mittheilungen oben.« Und sich zu den Anderen wendend, fragte er: »Haben Sie bei Ihrem Suchen vielleicht ein Seil oder so etwas Aehnliches bemerkt?« »Sie haben ein Seil unten in unserer Hütte,« antwortete einer der Steinbrecher, welche mit herbeigetreten waren. »Langt es bis hinauf an die Höhle dort?« »Ja,« es is das große Windeseil. »Holen Sie es sofort, und hier, Junge, hast Du Geld und hole von Deinem Meister zwei Päcke vom stärksten Bindfaden. Aber laufe um Gotteswillen schnell: es gilt ein Menschenleben. In fünf Minuten mußt Du wieder hier sein!« Wie aus einer Pistole geschossen, flog der Seilerlehrling von dannen, und Winter erklärte nun den Umstehenden die Nothwendigkeit, Seile und Bindfaden zu haben. »Fräulein von Chlowicki ist von dem Sturze dort oben in die Höhle geschleudert worden. Der Zugang zu dieser Höhle ist nur dadurch möglich, daß man die Risse im Felsen zum Emporsteigen benutzt, das schwere Seil dann mittelst des Bindfadens emporzieht und erst die Verunglückte und dann sich selbst daran herunter läßt.« Die Aufregung der Leute war groß. Rufe des Erstaunens und der Verwunderung über die glückliche Richtung des Falles mischten sich mit mißbilligenden Ausdrücken über die von Winter gehegte Ansicht von der Art und Weise, wie das Mädchen zu retten sei. Hunderterlei Meinungen wurden ausgesprochen; der Essenkehrer aber hörte gar nicht auf die Worte. Er verfolgte den Lauf der verschiedenen Risse und Klüftungen und schien endlich über den Weg, den er einzuschlagen hatte, mit sich einig zu sein. Jetzt brachten auch mehrere Arbeiter das Seil, und gleich hinter ihnen kam der schnellfüßige Lehrling gesprungen und übergab Winter den verlangten Bindfaden. »Nun paßt auf, Ihr Leute. Ich steige hinauf und wenn ich Euch den Faden herablasse, so befestigt Ihr das Seil daran. Das ist Alles, was Ihr zu thun habt.« Er steckte Hammer und Meißel, welche er schon vorhin aus der Werkzeughütte geholt hatte, zu sich, kletterte über die Steintrümmer hinüber zur Felsenwand und begann den gefahrvollen Aufsteig. Der Felsen stieg senkrecht in die Höhe und zeigte sogar Stellen, wo er sich nach Außen wölbte. Hier galt es nicht nur ein sichres Auge und ein muthiges Herz, sondern vor allen Dingen war ein mit ungewöhnlicher Muskelkraft ausgerüsteter Körper nothwendig. Denn bei dem geringsten Nachlassen der angespannten Muskeln war der verderbliche Sturz die augenblicklichste Folge. Mit dem Rücken nach Außen, stemmte er Arme und Beine in die Kluft und arbeitete sich langsam und ruhig nach Schornsteinfegermanier empor. Die Augen der Umstehenden hingen mit Spannung an ihm; ununterbrochene Zurufe, die ihn anfeuern oder auf eine schlimme Stelle aufmerksam machen sollten, ertönten, und wenn er blos mit einer Hand oder nur mit einem einzigen Fuße Halt nehmen durfte, um den Uebergang aus einem Risse in den andern zu erzwingen, so konnte man die Herzen fast klopfen hören. Und je weiter hinauf er kam, desto größer wuchs auch die Gefahr. Aber nicht ein einziges Mal stieg oder griff er fehl. Es war, als hätte er den Weg schon hundert Male zurückgelegt und sei mit jedem Fußbreit des Felsens genau und innig vertraut. Die Nachricht von dem Unglücke, welches die schöne Polin betroffen hatte, war mittler Weile durch die ganze Stadt gelaufen, und wer nur einigermaßen von zu Hause fort konnte, der eilte hinaus, um Augenzeuge sein zu können.Ende des fünften Teils – Fortsetzung folgt.