Nummer 42 | Der Beobachter
an der Elbe. Unterhaltungsblätter für Jedermann. Verlag von H. G. Münchmeyer in Dresden. 2. Jahrg. Wanda. Novelle von Karl May. |
24. Juli 1875 |
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»Freilich bin ich von hier. Warum?«»Ist der Herr bekannt mit den Persönlichkeiten, welche es giebt an diesem Orte?«
»Een Bischen. Mit wem denn, zum Beispiel?« »Kennen Sie den Baron oder Fürst von Säumen, welcher ist ein prächtiger und charmanter Herr und wiegt viele tausend Pfund in Gold?« »Na und ob! Der is mir bekannt wie mein Ambos// 670 //
off dem ich herumhämmern möchte, wenn ich ihn nur sehe. Er is es werth, daß mer ihn in Gold faßt.«
»Was werden Sie sagen, wenn Sie hören, daß ich hab gekauft vor einer Stunde sein ganzes Fürstenthum!« »Wa - wa - was er hat verkooft? An wen denn; an Sie?« »Nicht direkt an mich, sondern an den Herrn Polizeicommissar Hagen, welcher auch ist ein Herr, der zu machen versteht Geschäfte.« »So so! Wollen Sie auf das Sängerfest?« »Ja. Ich darf mir gönnen heut ein Vergnügen und habe mir gekauft eine Karte für den Zug, welche ist sehr theuer. Aber ich will sehen, wer ankommt eher, mein Freund der Fürst, oder mein Freund der Herr Baron von der Polizei oder ich. Zwar bin ich gewesen zu vorsichtig, um zu machen eine Wette; aber ich werde gewinnen dieselbe und haben viele Plaisir.« Zwischen dem vor der Stadt liegenden Bahnhof um dem freien Patze, auf welchem sich eine zahlreiche Menschenmenge um den Ballon drängte, waren die Geschirre, welche Theil nehmen wollten, aufgefahren. In dem Ersten derselben saß die Baronin mit der Zofe. Säumen und Winter hatten den Vordersitz inne. Es hatte das Zartgefühl der alten Dame verletzen wollen, in eigener Person an der Fahrt Theil zu nehmen. Aber da Wanda auch durch die triftigsten Gründe und die dringendsten Vorstellungen nicht zu bewegen gewesen war, so gebot ihr das Mutterherz, in der einzig möglichen Weise an dem gefahrvollen Unternehmen sich zu betheiligen. Winter las in den angsterfüllten Zügen der Tante die Gefühle, welche sie bestürmten; er wußte, welch ein Opfer sie brachte, ihre Person und ihren geachteten Namen einer Art Schaustellung blos zu geben und fühlte zum ersten Male einen wirklichen und ernstlichen Zorn gegen das Mädchen, dessen Eigenthümlichkeit er bisher immer entschuldigt hatte. Die Auffüllung des Ballons war glücklich beendet. Zwar hatte er sich noch nicht bis zur größtmöglichsten Ausdehnung aufgebläht; aber er mußte diese Ausdehnung bei dem Eintritte in höhere und in Folge dessen auch leichtere Luftschichten erreichen und bot dann jedenfalles einen stolzen Anblick. Bei der zweiten Besichtigung war nichts Sicherheitswidriges bemerkt worden, und so konnte das Einsteigen der beiden Passagiere vor sich gehen. Der Professor hatte die eingesammelten Gelder in Empfang genommen und dem Gehülfen einen kleinen Theil davon mit der Weisung, seine Rückkehr hier abzuwarten, eingehändigt. Jetzt hing er in den Seilen und prüfte die Luftströmung. Diese war eine durchaus günstige und versprach ein rasches Vorwärtskommen. Jetzt stieg er nieder, trat an den Rand der Gondel und winkte zum Einsteigen. Wanda stieg, seine Hülfe abweisend, die kurze Strickleiter hinauf und nahm Platz ohne der Umgebung einen Blick der Aufmerksamkeit zu schenken. Langsam dagegen ging es bei Hagen. Er schien seinen Entschluß schon jetzt zu bereuen, seine Blicke waren unsicher, und seine Stimme hatte einen zitternden Klang, als er, sich neben Wanda setzend, sprach: »Ich konnte eine Dame von ihren Eigenschaften, Fräulein von Chlowicki, der Unbeständigkeit der Luft nicht ohne Schutz anvertrauen und hoffe deßhalb, daß Sie mir eine freundliche Gesinnung bewahren.« »Sie erlauben, daß ich gegen Ihre Gesellschaft Nichts einzuwenden habe, da die Mitfahrt einem Jeden gegen Erlegung des Preises gestattet ist. Was den Schutz betrifft, so wird sich ja wohl zeigen, wer dessen bedarf.« Jetzt wurde der Anker gelöst und die festhaltenden Seile gelockert. Der Ballon stieg eine Strecke in die Höhe, wiegte sich majestätisch hin und her und zerrte an dem einen Taue, an welchem er, von Menschenhänden gehalten, noch hing. Nochmals prüfte der Professor die Luft, dann wandte er sich der Richtung zu, in welcher der Wagen der Baronin stand und gab mit der Hand ein zustimmendes Zeichen, welches von Säumen erwidert wurde. Darauf winkte er, das Seil loszulassen. Für die Menge der Umstehenden hatte das gegebene Zeichen die sehr natürliche Bedeutung, daß er die anvertraute Braut und Tochter behüten werde. Anders aber war es bei Emil Winter. Er traute Säumen das Schlimmste zu, hatte sein Mienenspiel beobachtet und bemerkt, mit welcher Spannung sein Auge auf Wanda geruht und dann befriedigt aufgeblitzt hatte, als sie eingestiegen war. Und als er den Zug diabolischer Freude bemerkte, den der Baron trotz aller Anstrengung nicht unterdrücken konnte, als der Professor das Zeichen gab, da leuchtete in ihm die Ueberzeugung auf, daß die Geliebte seiner Seele in einer schrecklichen Gefahr schwebe. Er sah nur noch, daß sein Bruder unbeachtet von den Umstehenden, sich auf das Kofferbret setzte; dann sprang er mit einem Satze aus dem Wagen, brach sich mit fast übermenschlicher Kraft durch die Menge Bahn und langte gerade in dem Augenblicke bei den Haltenden an, als dieselben das Tau los ließen. Es war die höchste Zeit gewesen, und mit beiden Händen griff er zu. Das Luftschiff stieg, als es nicht mehr an die Erde gebunden war, mit einem einzigen raschen Rucke mehrere hundert Fuß hoch empor, dann schwebte es scheinbar still an einem Punkte, wie um die Richtung zu suchen, die es einzuschlagen habe, und endlich bewegte es sich, von dem herrschenden Luftstrome begleitet, vorwärts. Schon längst hatte die Musik begonnen; aber so stark das Orchester und so rauschend das Stück auch war, welches gegeben wurde, sie vermochte doch nicht den Schrei des Entsetzens zu übertönen, welchen die Menge ausstieß, als sie einen Menschen so hoch da droben an dem Seile hängen sah. Das Letztere war nicht mehr zu erkennen, und es schien, als schwebe der Mann frei in der Luft und werde jeden Augenblick herabstürzen. Vor Bestürzung vergaß der Maschinist, den Zug in Bewegung zu setzen, und ebenso hielt auch die Reihe der Wagen noch still. Die Baronin war in den ihrigen zurückgesunken und bedeckte das Angesicht mit dem Taschentuche. Sie hatte sich die schnelle Bewegung ihres Neffen nicht erklären können, war ihm mit dem Augen gefolgt und wußte also, daß er es war, der in so furchtbarer Lage schwebte. Da ertönte neben ihr eine gebieterische Stimme, die sie nicht kannte. »Kutscher fahr zu, was die Pferde laufen können und halte Dich wo möglich immer unter dem Ballon!« Sie blickte auf. Vor ihr saß der junge Mann, welcher ihr kürzlich als Gehülfe des Professors vorgestellt worden war. Während die Pferde im Carriere davon flogen, wandte er sich mit einem ruhigen Lächeln, welches ein Beweis seiner ungewöhnlichen Selbstbeherrschung war, an die Insassen des Wagens. »Verzeihung, Herr Baron wenn ich aus Familienver-// 671 //
hältnissen das Recht herleite, auch ohne vorherige Aufforderung den Platz für mich in Anspruch zu nehmen, welchen mein muthiger Bruder verlassen hat. Und Verzeihung, meine gnädige Tante, daß ich erst jetzt in einem so kritischen und unpassenden Augenblicke mich Ihnen in meiner wahren Eigenschaft vorstellen darf. Ich bin der Polizist Winter, der Bruder Emils.«
»Mein Gott, ich bin zu verwirrt, als daß ich mich fassen und das Passende sagen könnte! Warum ist er mit in die Höhe gegangen?« »Ich weiß es nicht; aber ich vermuthe den Grund. Jedenfalls werden wir von ihm das Nähere erfahren. Er hat nicht aus Vermessenheit gehandelt und steht unter dem Schutze Gottes, der ihn uns wiedergeben wird. Wir wollen uns fassen und das Uebrige in einer ruhigeren Stunde besprechen.« Im ersten Augenblicke wußte der Baron nicht, was er von seiner gegenwärtigen Lage denken solle. Es war ihm, als sei er nun verloren, da er den Gefürchteten neben sich sitzen sah; aber bei der unwillkürlichen Bewegung, welche er mit der Hand nach dem Herzen machte, fühlte er die beiden Revolver, welche er für alle Fälle heut in die Brusttasche seines Rockes gesteckt hatte, und diese Berührung gab ihm sofort die gewohnte Fassung wieder. Die Drei da oben in der Luft waren verloren; das war sicher. Und hier unten gab es außer dem Juden, der aber nicht sehr zu fürchten war, nur diesen einen Menschen, der ihm Gefahr bringen konnte. Sollte nicht auch er unschädlich gemacht werden können? Säumen hatte sein Gewissen nie um Rath gefragt, wenn es eine That galt, die ihm von der Sorge für seine eigene Person geboten wurde, und so war er auch jetzt nicht zu Scrupeln geneigt. Der Tag war noch lang; man mußte abwarten, was er bringen werde. Indessen schwebte der Ballon ruhig weiter, ruhiger als seine Insassen waren. Wanda hatte sich nach unten gewendet, um die Gegend aus der Vogelperspective zu betrachten und dabei den an dem Seile Hängenden zuerst bemerkt. »Um Gottes Willen, Herr Professor, es hat sich Jemand in dem Taue verwickelt und ist mit in die Höhe gezogen worden!« rief sie erschrocken. Der Angeredete beugte sich über die Brüstung der Gondel hinaus, und auch Hagen schickte sich an, diese Bewegung zu machen, zog aber den Kopf sofort wieder zurück, weil er sich vom Schwindel erfaßt fühlte. »Der Mensch ist verloren!« sagte der Luftschiffer nach einem beobachtenden Blicke in die Tiefe. »Zwar scheint es, als ob er sich in die Höhe turnte; aber seine Kraft wird bald zu Ende gehen!« »Wir müssen helfen, müssen ihn retten, müssen das Seil einziehen!« »Das wird kaum statthaft sein, denn durch dieses Experiment müßte die Gondel sich auf die Seite neigen, und wir selbst kämen dabei in die größte Gefahr.« »Daran dürfen wir nicht denken. Vorwärts zugegriffen!« Der Professor erfaßte ihren Arm. Seine Passagiere sollten den festen Erdboden nicht lebendig wieder berühren; ein Dritter mußte ihm also unbequem sein. Es blieb sich ja ganz gleich, ob derselbe jetzt gleich oder mit den beiden Anderen den tödtlichen Sturz machen werde. »Lassen Sie, Fräulein! Wir werden Nichts weiter erreichen, als daß das Seil in schwingende Bewegung geräth und den Unglücklichen abschleudert. Warten wir ab, wie weit seine Kräfte reichen!« Sie mußte sich, wenigstens einigermaßen von diesem Grunde überzeugt, fügen und lehnte sich vornüber, um die Anstrengungen des Mannes zu beobachten. Obgleich das wirbelnde Drehen des Taues seine Bemühungen bedeutend erschwerte, griff er sich doch Hand um Hand stetig und gleichmäßig vorwärts, als habe er auf dem Turnplatze eine Seilübung vorzunehmen. So kam er näher und immer näher, und als er jetzt das Angesicht nach Oben kehrte, um die noch zurückzulegende Entfernung abzumessen, erkannte sie ihn. »Emil, mein Gott, es ist Winter! Wir müssen ihn retten, Professor, sonst ist er verloren.« Abermals machte sie Miene zuzugreifen, und die gräßlichste Angst prägte sich ihrem Angesichte auf. Aber mit einer gebieterischen Handbewegung hielt der Aeronaut sie zurück. »Sie wissen, Fräulein, daß dem Capitäin eines Schiffes der unbedingteste Gehorsam zu leisten ist, und dieses Gebot findet auch hier bei uns seine strenge Anwendung. Ich bin es, auf dem alle Verantwortlichkeit ruht, und ich muß am Besten wissen, was zu thun ist.« »Nun gut; dann muß ich gehorchen; aber ich werde Sie zur Rechenschaft ziehen!« »Die ich sehr leicht ablegen kann. Wir können Nichts thun, wenn er nicht selbst sich rettet.« Winter hatte sich jetzt das Seil um die Beine geschlungen und ruhte, in halb sitzender, halb hängender Stellung aus. Als er bemerkte, daß Wanda's Auge auf ihn gerichtet sei, ließ er mit der Rechten los, um einen grüßenden Wink zu geben, und das sorglose Lächeln, welches dabei in seinen Zügen lag, überzeugte sie, daß sie seiner Kraft vertrauen könne. Seine bald fortgesetzten Bewegungen waren so frisch, als ob er sie erst jetzt beginne, und in wenig Augenblicken befand er sich an der Gondel. »Tretet auf die andere Seite, sonst geht das Gleichgewicht verloren!« rief er und befand sich einige Secunden später im Innern des Geflechtes. Nie in ihrem Leben hatte Wanda eine Angst, wie die soeben gehabte ausgestanden. Als sie den Cousin in so entsetzlicher Lage erblickte, war ihr die Liebe zu ihm in ihrer ganzen, bisher noch nicht bekannten Größe ins Bewußtsein getreten, und jede Fiber ihres Innern hatte gebebt bei dem Gedanken an seinen Verlust, an welchem sie selbst mit ihrem harten, unerweichbaren Sinne die Schuld trug. Aber als er sich jetzt munter herumschwang, löste sich diese Angst in einen Schrei der Freude auf, und sie konnte nicht anders, sie mußte die Arme um ihn schlagen und ihr Köpfchen fest, fest an seine tiefathmende Brust legen. »Emil, mein lieber, lieber Emil!« flüsterte sie leise, mit thränendem Auge zu ihm aufblickend. »Hat Dich das Seil aus dem Wagen gerissen?« »Nein, Wanda,« entgegnete er ebenso leise. »Ich komme freiwillig, um in einer Dir wahrscheinlich drohenden Gefahr bei Dir zu sein.« »Du hast geglaubt, ich werde hier oben doch noch Angst bekommen?« »Nein, das ist es nicht. Es wird sich zeigen.« Er ließ sie auf den Sitz nieder und wandte sich dann an die beiden andern. »Ihr Diener, meine Herren! Ich hoffe, Herr Professor,// 672 //
Sie werden mich nicht fortweisen, da ich wirklich nicht wüßte, an welcher Stelle ich wieder abspringen könnte.« »Gratuliren Sie sich ob des ungeheuren Glückes, welches Sie haben. Nächst diesem haben Sie Ihre Rettung dem Umstande zu verdanken, daß ich Sie Ihrer eigenen Anstrengung überließ.« »Unsre Meinungen stimmen sehr überein; denn ich habe mich gleich Anfangs auf nichts Anderes verlassen. Doch bitte, lassen Sie sich durch meine unerwartete Anwesenheit in den nothwendigen Beobachtungen nicht stören. Sie haben Ihre Wetten zu gewinnen.« »Allerdings,« antwortete der Professor und richtete das Fernrohr nach unten. Noch konnte er jede Einzelheit der Gegend unterscheiden, und also eben so deutlich mußte man von der Erde aus auch ihn beobachten können. Es war nothwendig, zu steigen und dann eine andere Richtung einzuschlagen. Deßhalb nahm er aus dem unteren Raume ein Säckchen mit Sand hervor und schickte sich an, dasselbe zu öffnen. »Sie wollen noch höher steigen?« fragte Winter. »Allerdings.« »Sie erlauben, daß ich dies nicht für nothwendig halte. Der Zweck dieser Art ist eine bloße Luftparthie nach einem bestimmten Orte der unter uns liegenden Gegend, nicht aber eine wissenschaftliche Beobachtung in den oberen Regionen.« »Da haben Sie sehr Recht; aber über die Art und Weise, wie dieser Zweck am Sichersten und Schnellsten zu erreichen ist, steht mir als Fachmann wohl das bestimmende Urtheil zu. Wir befinden uns jetzt mitten in dem Grenzgebiete zweier entgegensetzten Luftströmungen und müssen uns bis in die Mitte der günstigeren erheben.« Er wußte sehr genau, daß Winter aus freiem Antriebe das Seil ergriffen haben müsse; denn hätte ihn dasselbe unvermuthet umschlungen und mit fortgerissen, so wäre es ihm jedenfalls nicht gelungen, sich loszumachen. Auch wäre ihm bei einer so unvorgesehenen Lage die Besinnung geschwunden und also die Sicherheit, mit der er sich empor bewegt hatte, eine Unmöglichkeit gewesen. Er hatte es also hier mit einem Gegner zu thun, welcher durch irgend einen Umstand zu der gehabten Kühnheit veranlaßt worden war. Und bei der Ungeheuerlichkeit des Wagnisses mußte dieser Umstand ein bedeutender sein, sich vielleicht gar auf die Entdeckung des mit dem Barone verabredeten Planes beziehen. Während er unter diesen Gedanken eine Hand voll der feinen Sandkörner nach der Andern fallen ließ, riß Winter ein Blatt seines Notizbuches in Stücke und ließ sie nach einanderfliegen, um an der Schnelligkeit, mit welcher sie entschwanden, diejenige des Steigens zu erkennen. »Wollen Sie nicht innehalten, Herr Professor? Ich glaube sehr, daß wir zu hoch kommen. Die Wolken liegen schon tief unter uns, und die Erde ist mit bloßem Auge gar nicht mehr zu erkennen. Von solcher Dimension dürfte unsere Strömung wohl kaum sein!« »Ja, wir sind zu hoch; gehen wir weiter nieder!« rief Hagen, dem die Angst aus allen Zügen zu lesen war. »Hier bin ich Herr,« sprach der Professor ruhig und fuhr in seiner Beschäftigung fort. »Ich verbiete mir jeden Einspruch, zu dem übrigens Jemand, der das Passagegeld nicht entrichtet und uns seine Rettung zu verdanken hat, am Allerwenigsten berechtigt sein dürfte.« Winter schwieg und nahm den an seiner Uhrkette hängenden Compaß zur Hand. Er bemerkte nach einiger Zeit daß der Ballon eine vollständig andere Richtung eingeschlagen hatte und hielt deßhalb auf jede Bewegung des Professors ein scharfes Auge. Dieser blickte durch das Perspectiv und griff dann von Neuem nach dem Sande. »Sie werden Ihre Wette verlieren!« meinte Hagen, und auf seiner Stirn standen helle Tropfen. »Der Zug wird in wenigen Minuten sein Ziel erreicht haben.« »Wir sind auch gleich da. Noch einige tausend Fuß und dann sinken wir. Ich werde unterdessen zur Klappe steigen.« Er schwang sich auf den Rand der Gondel und kletterte in das Netzwerk hinauf. Der Ton seiner Stimme hatte den eigenthümlich heiseren Klang gehabt, welchen die menschliche Sprache oft zeigt, wenn die Seele in ängstlicher Spannung sich befindet oder der Wille etwas bezweckt, was mit dem Rechtsgefühle nicht im Einklange liegt. Das fiel Wintern sofort auf. Dieses Emporklettern mußte einen besondern Grund haben; denn das Ventil war ja sehr bequem durch eine Schnur zu öffnen, welche bis in die Gondel herrabreichte. »Sehen Sie sich vor, Herr Commissar! Der Mann führt etwas im Schilde,« flüsterte er und blickte gespannt nach oben. Da griff der Professor nach einer Schlinge und zog an derselben, um sie zu öffnen. Dies schien jedoch einige Schwierigkeit zu haben, da bei der Passage durch die Wolken der Strick Feuchtigkeit angezogen hatte, in Folge dessen aufgequollen war und die Schleife schwer öffnen ließ. Durch diesen Umstand erhielt Winter einige Augenblicke Zeit, dem Laufe des Strickes zu folgen und die Bemerkung zu machen, daß die Hälfte der Gondelhalter an ihm befestigt waren und nachgeben mußten, sobald er gelockert wurde. Sofort erkannte er, worauf es abgesehen war, riß mit beiden Armen Wanda und den Commissar herüber auf die weniger bedrohte Seite und rief: »Haltet fest, sonst seid Ihr verloren.« Instinktmäßig klammerten sie sich an, obgleich sie den Grund dieses angstvollen Zurufes nicht begriffen, und im nämlichen Augenblicke bekam die Gondel einen Ruck, die Halter fielen nieder, und die drei Menschen hingen, den Boden unter den Füßen verlierend, frei in der Luft. »Einen Augenblick nur halte fest, Wanda!« mahnte Winter und die gräßlichste Angst sprach aus dem Tone seiner Stimme. Er schwang das eine Bein über den Gondelrand, und so auf denselben reitend, zog er das Mädchen herauf zu sich und sprach; »Sei nur jetzt stark, Wanda, und verliere das Bewußtsein nicht, sonst bist Du verloren!« »Ich halte fest, Emil! Rette nur - Herr Gott, wo ist der Commissar?« Er war verschwunden. Im Augenblicke der Gefahr hatte ihn die Besinnung verlassen oder war die Kraft seiner Arme zu schwach zum Festhalten gewesen, und so war er hinabgestürzt.Ende des fünfzehnten Teils – Fortsetzung folgt.