»Das macht, der losgebrochene Sturm treibt
in den losen Schneemassen sein tolles Spiel. Mit sausender Schnelle nähert
er sich. Sein Heulen und Brüllen tönt schauerlich durch die Einöde, und
verloren wäre das Schiff, welches auf offenem Meere von diesem furchtbaren
Orcane erreicht würde. Aber hier in der Wüste bietet sich ihm nur Schnee,
nichts als Schnee und mit entsetzlicher Wuth wirft er sich auf die
zusammengewirbelten Haufen desselben. Von unwiderstehlicher Gewalt in die
Lüfte gehoben, stieben ungeheure knirschende Schneemassen senkrecht empor
und zerfahren in ein wirres Durcheinander von schwirrenden Eisnadeln;
dazwischen schießen dicke Schneewirbel oder in rasender Eile herbeigefegte
Schneeberge dahin; die ganze Oberfläche wird lebendig und mit
unerbittlicher Gewalt zieht die Wjuga, der Schneesturm, alles Lebende
hinunter in das erstarrende Grab. Das ist die Schamo.
Von der Ostküste des atlantischen Oceanes an bis zu den Bergwänden des
Nilthales erstreckt sich die Wüste Sahara, 120,000 Quadratmeilen groß. Ihr
westlicher Theil, die Sahel, ist die eigentliche Heimath des gefürchteten
Flugsandes, der, von dem Winde zu fortrückenden Wellen emporgetrieben,
langsam durch die Wüste wandert; daher der Name »Sahel«, d.i. Wandermeer.
Diese Beweglichkeit des Sandbodens muß natürlich dem Wachsthum der
Pflanzen außerordentlich ungünstig sein, und dazu kommt noch der Mangel an
Brunnen und Quellen, welcher das Entstehen von Oasen noch mehr verhindert
als in der wasserreicheren Sahara. Dies erklärt zur Genüge, daß die Sahel
ebenso wie die Gobi den Ansiedelungsversuchen der Menschen wohl für immer
widerstehen wird. Der dürre Sandboden vermag kaum einige unbrauchbare
Salzpflanzen, höchstens noch etwas dürren Thymian, ein paar Disteln und
einige stacheligte Mimosen zu tragen. Durch das glühende Sandmeer streift
nicht einmal der Löwe, obgleich unsere Dichter behaupten:
»Wüstenkönig ist der Löwe«;
nur Vipern, Scorpione, Ameisen und ungeheure Flöhe finden in dem heißen
Boden ein behagliches Dasein und selbst die Fliege, welche die Karavane
eine Strecke in die Wüste hineinbegleitet, stirbt bald darauf auf dem
Wege. Und doch wagt sich der Mensch hinein in den Sonnenbrand und trotzt
den Gefahren, die ihn umdrohen. Freilich ist ihre Schilderung oft eine
übertriebene, aber es bleibt trotzdem genug übrig, um keine Sehnsucht nach
einem »Wüstenritte« zu bekommen. Der Samum, jener giftige Wind der Wüste,
tödtete dem Perserkönig Cambyses eine ganze Armee und noch im Jahre 1805
wurde eine Karavane von 2000 Menschen und 1800 Kameelen von ihm
vernichtet. Berge glühenden Flugsandes bedeckten sie, und Nichts blieb
übrig, als die ausgedorrten Leichen der Menschen und Thiere, die in
grauenerregenden Stellungen neben und über einander lagen. Einige hielten
die leeren Schläuche noch in den entfleischten Händen; Andre hatten wie
wahnsinnig die Erde unter sich aufgewühlt, um sich Kühlung zu verschaffen;
hier saßen aufgerichtete Mumien auf den Skeletten gestürzter Kameele, den
Turban noch auf dem nackten Schädel; dort lagen Leichen, das Gesicht gegen
Morgen, nach Mekka, gerichtet und die Arme über die Brust gekreuzt - ihr
letzter Gedanke war, wie es dem frommen Moslem geziemt, Gott und sein
Prophet gewesen.
Doch noch andere Schrecken giebt es:
Seit dem Aufbruche der Karavane aus dem Lagerplatze ist der letzte Tropfen
Wassers aus den ledernen Schläuchen verronnen. Die Kameele zwar schreiten
noch rüstig vorwärts, da sie durch den Bau ihres Magens jetzt noch vor dem
Durste geschützt sind, aber der Widerstand des Menschen erlahmt schneller.
Der erfahrene Führer blickt starr und besorgt vor sich hin. - Der Himmel
glüht wie Erz und die Erde brennt wie glühendes Eisen, und die nächste
Oase ist noch weit, weit entfernt. In der Erinnerung des alten
grauköpfigen Arabers steigen schreckliche Bilder herauf von den Qualen des
langsamen Verschmachtens, dem gegenüber der schnelle Tod ein Engel der
Erbarmung ist. Schon erreichen halb unterdrückte Klagen sein Ohr; der
Gaumen brennt, an welchem die trockene, lechzende Zunge klebt, das
siedende Blut drängt sich ungestüm nach dem fiebernden Gehirn und bei der
entsetzlichen, trockenen Hitze schwindet der letzte Rest von Kraft und
Lebensmuth.
Da, sieh; drüben zur Linken winken lockende Bilder! Ueber den
dichtumflorten Horizont heben sich die scharfen Umrisse einer lieblichen
Oase herauf. Auf schlanken Säulen bauen sich die stattlichen Wipfel der
Dattelpalmen übereinander und ihre leichten, vollen Fliederkronen wehen im
frischen Wüstenwinde. Und dort welch' ein entzückender Anblick bietet sich
dem durstenden Wanderer! Aus dem Haine der Oase schimmert es wie das
Wellengekräusel eines lieblichen Sees, und die Luft scheint sich von der
Ausdünstung des Wassers zu feuchten.
»Allah akbar!« ruft Einer. »Wir sind gerettet. Siehst Du, wie sich die
Kronen der Palmen in der schimmernden Wasserfläche spiegeln, wie Kameele
in die kühle Fluth waten und ihren langen Hals herunterstrecken, um das
belebende Naß zu schlürfen!«
»Schau nicht hin!« mahnt der erfahrene Führer. »Es ist nichts als Trug,
den Dir der Satan vorspiegelt. Folgst Du der Spiegelung, so geräthst Du in
die Wüste und findest weder Kameele, noch Palmen, noch Wasser.«
Die Karavane murmelt ein Gebet und zieht scheu vorüber vor der
verlockenden Fata morgana. Der Sohn der Wüste weiß, daß die Djinns (bösen
Geister) diesen verderblichsten aller Zauber aus den Dünsten und Gluthen
des Sandmeeres zusammengewoben haben, um den schmachtenden Wanderer ins
Verderben zu führen. Darum läßt er sich nicht verlocken und folgt dem
Führer, bis aus dem Munde desselben der frohlockende Ruf erschallt: »Die
Oase, seht,