Fragen wir nicht, wie beide, Land und
Wasser, sich in einer Schöpfungsperiode bildeten, welche um viele
Jahrtausende hinter der Gegenwart liegt. Sie sind da und tragen das Ihrige
zu den Bestandtheilen des Körpers bei, welcher uns und allen irdischen
Wesen gegeben ist. Bewundern wir vielmehr die Allmacht Gottes, welche aus
einer Hand voll Staubes und einer kleinen Menge Wassers Körper formte,
deren Darstellung selbst der größesten Kunst und Wissenschaft eine ewige
Unmöglichkeit bleiben wird und die zur Wohnung von Geistern dienen, deren
Ursprung und Zukunft als unerforschte Räthsel in der Hand des himmlischen
Vaters liegen.
Die alten Bewohner Mesopotamiens erzählten sich eine Geschichte von
Oannes, dem großen Lehrer, welcher aus den Fluthen des Wassers stieg, um
die Menschen zu unterrichten in Allem, was ihnen zu wissen nöthig war.
Diese Sage sollte den Einfluß bezeichnen, welchen das flüssige Element auf
die Entwickelung der Erde und ihrer Bewohner hervorbringt, die durch die
friedlichen oder zerstörenden Wirkungen des Wassers freiwillig oder
gezwungen zu Betrachtungen und Beobachtungen geführt wurden, deren kluge
Befolgung eine immer weitere Bildung nach sich zog.
Wenn der Psalmist die Angst seines Herzens nicht besser und wahrer zu
beschreiben vermag, als durch die Worte: »Gott, hilf mir, denn das Wasser
gehet mir bis an die Seele!« so durfte er für eine Qual seines Herzens
Trost bei dem Allgütigen suchen und finden; wenn aber die wirklichen
Fluthen über das Land brausen und dem bedrohten Menschenkinde »bis an die
Seele gehen,« so führt kein Gebet, sondern die kräftige Anstrengung seines
schwimmenden Armes ihn an das rettende Ufer, und die Noth und Gefahr wird
ihm zur Lehrerin, deren Stimme er niemals wieder vergessen kann.
Wie sehr die todte, starre Erde des belebenden Wassers bedarf, zeigt sich
am Augenfälligsten da,
» ... wo sich im Sonnenbrande
Die öde Hammada erstreckt
Und man im glühend heißen Sande
Nicht einen grünen Halm entdeckt,«
wo die zitternden Reflexe des Sonnenlichtes sich als Mark und Bein
verzehrende Fluth über den sterilen Boden lagern und es nur dem künstlich
emporgezwungenen Tropfen gelingt, aus dem versengten Lande eine Oase, »das
grünende Auge der Wüste,« hervor zu zaubern. Und der Segen des einzelnen
Tropfens wächst mit dem hervorsprudelnden Quell, dem schwellenden Bache,
dem rauschenden Strome und findet seine größte Bedeutung in den »Leben
spendenden Wogen des Meeres.«
Darum waren schon in den ältesten Zeiten die Wellen der Schauplatz
heiliger Handlungen, ja sogar Gegenstand der Anbetung, darum sprach
Christus am Brunnen zu Sichar vom »Wasser des Lebens«, und darum knüpfte
er an das Wasser sein Sacrament von der Aufnahme in den Bund der
christlichen Kirche.
Anfänglich stand der Mensch rathlos vor dem brausenden Schwalle der
Brandung und schrieb sein »Finisterre« an die vom schäumenden Gischte
bedeckten Felsen der Meeresküste. Bald aber trieb ihn die Notwendigkeit
oder der Unternehmungsgeist hinaus auf die offene See; die Ungeheuer, mit
denen seine ängstliche Phantasie die feuchte Tiefe bevölkert hatte,
kleideten sich in freundliche Formen; die Säulen des Herkules, die Scylla
und Charypdis verloren ihre Schrecken, und das kühne Auge des Entdeckers
erkannte in dem »weltumgürtenden« Oceane einen Sammelplatz
unerschöpflichen Reichthums und die Tummelstätte eines alle Länder
verbindenden und alle Völker mit sich fortreißenden Verkehres.
Die Gefahren und Wunder des Oceans, welche den früheren Menschen
erschreckten, haben dem männlicher gewordenen Geiste gegenüber ihr
Fürchterliches verloren und reizen ihn zu jenem fruchtbaren Forschen und
Wagen, welches trotz allen Martyrerthums für Wissenschaft und Leben gleich
große Erfolge in sich birgt. Sein »Sesam, thue dich auf!« schallt
gebieterisch über die Schätze bergenden Wasser; seine segelbefiederten
Adler schlagen, vom hohen Stapel stürzend, ihre schimmernden Schwingen von
Küste zu Küste, von Continent zu Continent; seine Dampfräder schäumen
durch Ebbe und Fluth, und seine Maschinen bohren die mächtigen Schrauben
durch Strudel und Strömungen; seine Eisenschienen überbrücken die Arme der
Meere, seine Tunnels steigen bis unter den Grund der Flüsse und des
Oceans, und sein geflügeltes Wort zuckt mit dem electrischen Funken hoch
in der Luft und tief unten im Grunde der See rund um die wirbelnde Erde.
Für ihn hat »das Wasser Balken,« denn er ist Herr des Elementes geworden,
welches nur Dem sich feindlich zeigt, welcher sich muthlos und feig vor
den Gewalten beugt, die dem Geschlechte der Menschen zu Diensten bestimmt
sind.
Land und Wasser. Wie verschieden sind beide einander, und doch giebt es
Aehnlichkeiten zwischen ihnen. Man stelle sich auf den Stock eines hohen
Gebirges und werfe das Auge auf die rundum in immer größerer Tiefe und
Entfernung sich wellenförmig wölbenden, bald den blitzenden Sonnenstrahl
zurückwerfenden, bald in Grün sich kleidenden und in dunstblauer,
nebelhafter Ferne sich verlierenden Bergeskuppeln, und der Eindrucke wird
derjenige eines Meeres sein, dessen Wogen unter dem Winke eines
allmächtigen Willens mitten im Sturme zu Stein erstarrt sind. Und man
stelle sich an das Ufer des Oceans; man sehe, wie seine Fläche sich weit
und immer weiter ausbreitet, eine Welle, eine Woge hinter der andern sich
emporthürmt und die drohenden Wasser aufsteigen wie eine in
verschwimmender Höhe bis in die Wolken und den Aether reichende Wand, und
der Eindruck