2.
Land und Wasser.
Er hat um das Wasser ein Ziel gesetzet,
bis das
Licht sammt der Finsterniß vergeht.
Hiob.
Jede Bewegung verursacht ein Geräusch, einen Ton, dessen Höhe und Tiefe
von der Geschwindigkeit der Bewegung sowohl als auch von der
Beschaffenheit und Größe des sich bewegenden Körpers abhängig ist. Die
Bewegung der Himmelskörper muß also auch von Tönen begleitet sein, eine
Annahme, auf welche sich die Vermuthung begründet, daß da droben im
unendlichen Aether ein ununterbrochenes und gewaltiges Singen und Klingen
stattfinde, welches man die »Musik der Sphären« genannt hat.
Es scheint, daß bei dieser Vermuthung sehr viel Phantasie aufgewandt
worden ist; denn bei der außerordentlichen Dünnheit des Aethers fehlt es
im Himmelsraume wahrscheinlich an jedem Mittel, einen Schall
fortzupflanzen und also wahrnehmbar zu machen. Das schwache menschliche
Ohr wäre unmöglich im Stande, jene Klänge auch nur für eine Minute
auszuhalten, und der erste Schritt in die Unendlichkeit würde unfehlbar
vom augenblicklichen Tode begleitet sein.
Aber gäbe es eine Möglichkeit, sich hinaufzuschwingen zwischen die Bahnen
der Sterne und dort einen festen Punkt zu gewinnen, um die Millionen von
Welten an sich vorübersausen zu lassen, so würde auch ohne jene tödtenden
Klänge der Eindruck ein gar nicht mit der menschlichen Sprache zu
bezeichnender sein. Die fast gedankenschnelle Bewegung der uns in allen
Richtungen umblitzenden Sphären wäre mit dem Auge gar nicht zu fassen.
Eine Sonne, welche jetzt als ein kleiner, kaum wahrnehmbarer Punkt am
fernen Horizonte erschiene, würde im nächsten Augenblicke als ein
unendlicher, blendender und Alles versengender Feuerball von kaum meßbarer
Größe an uns vorüberzucken und fast in demselben Momente als
stecknadelkopfgroßes Johanneswürmchen am entgegengesetzten Ende des
Gesichtskreises wieder verschwinden. Und in diesem nie ruhenden, ewig
wogenden Meere glanzumflossener Himmelskörper wäre unsere von unzähligen
Millionen Wesen bevölkerte Erde einer der kleinsten, der verschwindendsten
Tropfen, obgleich auch sie einen überwältigenden Anblick böte, wenn es
möglich wäre, z.B. vom Monde aus uns ihr zu nähern und allmählich auf ihre
Oberfläche herabzusteigen.
Stellen wir uns im Geiste auf die Spitze eines der Ringgebirge des Mondes,
welcher der Erde immer nur eine und dieselbe Seite zukehrt, so würde uns
der von uns bewohnte Planet als eine helle Scheibe von ungefähr fünf Fuß
Durchmesser erscheinen, auf deren Oberfläche, ebenso wie wir es von der
Erde aus auf der Mondscheibe bemerken, lichtere und dunklere Partieen
wahrnehmbar wären. - Und könnten wir unseren Standort verlassen, um uns
der Erde zu nähern, so würde ihre Größe zunehmen, je weiter wir an sie
herankämen.
Die lichteren Stellen würden das Meer bezeichnen, dessen Wasser die
darauffallenden Sonnenstrahlen kräftiger reflectiren, als es von dem
Festlande geschieht, dessen Thalpartieen wieder dunkler erschienen, als
die Höhen der Gebirge.
Erst nur mit dem Rohre, bald aber auch mit dem bloßen Auge würden wir
einen Schleier bemerken, welcher theils in festen, compacten und
cumulirenden Massen, theils auch zerrissen und in federigen oder
langgestrichenen Zügen unserm Blicke von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort
die Erde verhüllt und seine Schatten auf dieselbe wirft. - Es sind die
Wolken.
Bald auch würden wir bemerken, daß uns ein unsichtbarer Stoff umgiebt,
dessen Dichtigkeit und Widerstandskraft zunimmt, je weiter wir uns der
Erde nähern. Wir würden seine Bewegungen fühlen und den Einfluß, welchen
er auf unsere Constitution äußert, immer deutlicher empfinden. - Es ist
die atmosphärische Luft, welche die Erde als ein flüssiges Meer umfluthet,
dessen Tiefe man nach verschiedenen Gesichtspunkten zu bestimmen vermag.
Zu athmen vermag der Mensch nur bis zu einer Entfernung bis zu drei
Viertel Meilen von der Erdoberfläche. Lambert schätzte die Tiefe des
Luftoceans auf 4, Birt auf 61/2, Halley auf 91/2 und Kepler auf 10 Meilen.
G. Schmidt stellte die wirkliche Höhe der Lufthülle da, wo ihre sie
emportreibende Federkraft und die sie herabziehende Anziehungskraft der
Erde im Gleichgewichte stehen, auf 27 Meilen, während Laplace, einer der
größesten Naturkundigen, die Grenze der Höhe, bis zu welcher die Lufthülle
der Erde noch angehören kann, da bestimmt, wo die nach obenhin zunehmende
Centrifugalkraft mit der Schwere ins Gleichgewicht kommt und diesen Punkt,
über welchen hinaus jedes Lufttheilchen von der Erde fortgeschleudert
würde, auf 5682 Meilen berechnet.
Die atmosphärische Luft besteht außer einer Wenigkeit an Kohlensäure aus
77 Gewichtstheilen oder 79 Raumtheilen Stickstoffgas und
23 Gewichtstheilen oder 21 Raumtheilen Sauerstoffgas;
die große Menge, welche ein Mensch an Sauerstoff verbraucht, ist aber so
gering gegen den Sauerstoffgehalt des Luftoceans, daß die ganze jetzt
lebende Menschheit zehn Millionen Jahre athmen könnte, ehe sie ihn
verbraucht hätte.
700 Kubikzoll Luft wiegen ungefähr 31 Gran, und auf jeden Quadratzoll der
tiefsten Stellen der Erdoberfläche drückt die ganze Masse der
daraufruhenden Luftsäule mit einem Gewichte von 15 Pfunden. Ein
erwachsener Mensch, dessen Körper etwa 12 Quadratfuß Oberfläche bietet,
trägt also, ohne es zu bemerken, einen Luftdruck von 34,300 Pfund.
Das Weltmeer, welches sich unserm Blicke als ein riesiges, blitzendes und
schillerndes Ungeheuer, dessen unzählige Arme wie die Fänge eines
monströsen Polypen das Festland umfassen, darstellt, trennt das Letztere
in zwei große Continente
Gund eine unzählige Menge kleinerer Landestheile, welche, da
sie ganz von Wasser umgeben sind, Inseln oder Eilande genannt werden.
Streng genommen sind auch die beiden Festländer Inseln, da auch sie
ringsum von den Fluthen des Wassers umspült werden.
Dem Flächenraume nach verhalten sich die Erdtheile wie folgend zu
einander:
Asien ... 793,964 Qu.-Meilen,
Amerika ... 750,055 Qu.-Meilen,
Afrika ... 543,570 Qu.-Meilen,
Europa ... 182,571 Qu.-Meilen,
Australien ... 161,452 Qu.-Meilen,
Land am Südpol ... 2,288 Qu.-Meilen.
--------------------------------------------
Summa: 2,433,900 Qu.-Meilen.
Asien participirt also mit 40, Amerika mit 35, Afrika mit 24, Europa mit 10,
Australien mit 8 und das Südpolland mit 3 Theilen an der Masse des festen
Landes.