Wenn draußen im Walde der Wind durch die
engverschlungenen Zweige rauscht und der Wasserfall seinen monotonen Kanon
plätschert, dann ertönt wohl eine tiefe, kräftige Stimme:
»Ich schieß den Hirsch im wilden Forst,
Im tiefen Wald das Reh,
Den Adler auf der Klippe Horst,
Die Ente auf dem See.
Kein Ort, der Schutz gewähren kann
Wo meine Büchse zielt,
Und dennoch hab' ich harter Mann
Die Liebe brennend heiß gefühlt.
Campire oft zur Winterszeit
In Sturm und Wettersnacht,
Hab', überreift und überschneit,
Den Stein zum Bett gemacht.
Auf Dornen schlief ich unbewußt,
Vom Nordwind unberührt,
Und dennoch hat auch meine Brust
Die Liebe brennend heiß gespürt.
Der wilde Falk ist mein Gesell,
Der Wolf mein Kampfgespann,
Der Tag geht mir mit Hundsgebell,
Die Nacht mit Hussa an.
Ein Tannreis schmückt statt Blumenzier
Den schweißbedeckten Hut,
Und dennoch schlug die Liebe mir
In's wilde, heiße Jägerblut,«
und wie das Lied die Rauheiten des unmittelbaren Verkehres mit der Mutter
Natur, welche ihre Kinder nicht verweichlichen läßt, ganz treffend
schildert, so weist es auch hin auf die ungeminderte Kraft, mit welcher
sich die Regungen des Gefühles eines Menschenherzens bemächtigen, dessen
Träger seine Arme den Fesseln der sogenannten verfeinerten Sitte noch
nicht dargeboten hat. Wie kein menschlicher Wille dem Sturme seine
Richtung, Dauer und Stärke vorzuzeichnen oder den zuckenden Funken des
Blitzes zu halten vermag, so stehen auch die seelischen Meteore des
Naturmenschen unter keiner beengenden Herrschaft und machen sich in
kräftigerer Weise geltend, als da, wo Convenienz und Dehors den Schritt
des lackbeschuhten Fußes lenken.
Und doch, so wie der Wald nach seinem Character so verschieden ist von der
offenen Flur, so trägt auch der in ihm Beschäftigte, der Jäger, der
Holzhauer, ein von dem Ackerbauer verschiedenes körperliches und geistiges
Gepräge an sich. Die Mysterien des Forstes haben ihren Schleier auch über
ihn gelegt und der poesievolle Duft der dunklen Tannenwipfel webt seine
Träume auch um seine Person.
Der Bauer, meist auf dem Stückchen Erde geboren, welches er bewohnt, zieht
nur aus seinem Acker das, was ihm zum Leben und Bestehen nothwendig ist.
Er legt den Samen in das Land und ist, wenn er die Früchte erndten und
genießen will, fest an den Ort gebunden. Dieses Beharren und Festhalten
ist ihm auch zur geistigen Eigenthümlichkeit geworden.
Schon in körperlicher Beziehung ist er nicht leicht beweglich; sein
Schritt ist ein langsamer und sicherer, seine Haltung eine jederzeit
ruhige und bedächtige, und es muß eine Leidenschaft in ihm erweckt worden
sein, wenn ja einmal seine Bewegungen ein lebhafteres Tempo zeigen.
Ansichten, zu denen er sich bekennt, und Meinungen, die er einmal gefaßt
hat, hält er mit erstaunenswerther Zähigkeit fest; er hat sie von seinen
Eltern geerbt und trägt sie wieder auf seine Kinder über. Was der
Großvater für recht und gut erkannte, das hält noch der Enkel für heilig,
gleichviel, ob es bis dahin veraltet ist. Von Neuerungen ist er kein
Freund, und daher bringt er allem Unbekannten ein Mißtrauen entgegen und
hat die Vorsicht zur Mutter seiner Klugheit gemacht. Was Andere thun und
treiben, das geht ihm wenig oder gar nichts an, wenn sie nur ihn in Ruhe
lassen und nicht etwa gar verlangen, daß er seinen Grütze mit ihnen
theile. Er steht eben unter dem unmittelbaren Einflusse des festen,
unbeweglichen Elementes, welches er bearbeitet, und wie dasselbe trotz all
dieser Arbeit sich doch immer gleich bleibt, so ist auch er das Urbild
eines ächt Conservativen, welchem es vor Allem graut, was irgend einer
Veränderung ähnlich sieht.
Darum dringt die Wissenschaft mit ihren Erfolgen viel langsamer in das
praktische Leben des Landwirthes ein, als in dasjenige anderer
Berufszweige, und wenn wir auch sagen müssen, daß in diesem kräftigen und
oft nur pietätvollen Beharren bei dem einmal Bestehenden eine der
bedeutendsten nationalen Stützkräfte zu erkennen sei, so kann doch nicht
geleugnet werden, daß die Zähigkeit einer zahlreichen Volksklasse einen
hemmenden Einfluß auf die allgemeine Entwickelung ausüben müsse.
Es gab eine Zeit, in welcher man mit wirklichem Rechte von dem »dummen
Bauer« sprach; er war in Folge seiner Liebe zum Hergebrachten bei dem
allgemeinen Drängen nach Vorwärts zurückgeblieben und bildete neben den
gewandten Gestalten der Anderen nicht selten eine sogar oft komische
Figur. Er war das enfant terrible aller Spaßvögel und Witzfabrikanten und
der bevorzugte Operationsgegenstand Derjenigen, welche sich zu dem unguten
Wahlspruche bekennen: »So lange es noch Dummheit giebt, braucht ein
Gescheidter nicht zu arbeiten.«
Das ist nun freilich anders geworden. Durch Schaden wird man klug, und die
angeborene Bedächtigkeit des Bauern hat sich zu einer scharfsinnigen
Vorsicht zugespitzt, welche