| Nummer 15 | Schacht
und Hütte. Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für Berg - Hütten - und Maschinenarbeiter. 1. Jahrg. Redaction, Druck und Verlag von H. G. Münchmeyer in Dresden, Jagdweg 14. Geographische Predigten. von Karl May. |
11. Dezember 1875 |
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Die Sphären, welche durch die Räume saußen, müssen ihm Rede
stehen, von ihm ihr Bild sich rauben lassen und ihren Wandel seinem Aug'
enthüllen. Was der stärksten körperlichen Kraft unmöglich ist, er
vollbringt es, und in ihm zeigt die Macht des Geistes sich in ihrem
höchsten irdischen Glanze.
Darum ist es kein Wunder, daß man seit grauer Zeit bis zum Ausgange des
Mittelalters den Astronomen die Kunst beimaß, aus der Stellung und dem
Laufe der Gestirne die Zukunft zu ergründen. Es liegt ein geheimnißvoller
und unwiderstehlicher Reiz in der geistigen Erforschung dessen, was der
Betrachtung durch das leibliche Auge sich entzieht, und so kam es, daß die
Brillanten des Himmels mit ihrem magischen und zauberhaft flimmernden
Lichte die Aufmerksamkeit schon der ältesten Völker auf sich zogen.
Die Bewegungen der Sonne und des Mondes mußte dem Menschen am Ersten
auffallen, und das Resultat seiner Beobachtung war die Eintheilung der
Zeit in Jahre, Monate und Tage. Da der Stand seiner Kenntnisse kein hoher
war und ihm auch die nothwendigen Instrumente noch fehlten, so war seine
Anschauung vom Weltenbau eine irrthümliche und konnte erst später mit der
Erstarkung der Wissenschaft und der Erfindung und Vervollkommnung der
astronomischen Werkzeuge nach und nach berichtigt werden. Dennoch aber hat
man, besonders in Asien, schon in der ältesten Sagenzeit Kenntnisse von
genauen Messungen und Berechnungen, welche unsere Bewunderung erregen.
Die astronomischen Nachrichten der Indier reichen bis 3102, der Chinesen
bis 2449, der Chaldäer und Babylonier bis 2167 Jahre vor Christi Geburt
zurück, und die Egypter hatten schon 1600 vor Christo richtige
Beobachtungen von Finsternissen. Die großartigsten Erfolge freilich hat
erst die neuere Zeit aufzuweisen, welcher es gelang, die Wissenschaft von
den Beimischungen des Aberglaubens zu befreien und das wahrheitstreue und
überwältigende Bild zu entwerfen, welches die Gegenwart von dem
unendlichen Dome des Himmels besitzt. Es ist ja das Gesetz aller irdischen
Entwickelung, daß der Weg zur Wahrheit durch den Irrthum geht und nur aus
der Finsterniß zum Lichte führt.
Die alte Tradition, welche den winzigen Erdball zum Hauptbeziehungspunkte
alles Erschaffenen machte, so daß Josua rufen durfte: »Sonne, stehe stille
zu Gibeon und Mond im Thale Ajalon!« hat der Ueberzeugung weichen müssen,
daß der »Staubgeborne« nicht das Recht habe, sich die höchste Daseinsform
zu nennen und daß die Erde nichts Anderes für ihn sei als nur eine der
Stufen, auf welchen er zur Vollkommenheit emporschreitet. Diese
Ueberzeugung demüthigt die Vermessenheit, welche sich dünkt, Gott gleich
zu sein, und ermuntert den Menschen, zu trachten nach dem »das droben
ist«, nach dem »Reiche Gottes«, welches weder Confession noch Dogma,
sondern nur das eine, große, allmächtige Gesetz der Liebe kennt, welches
Alles erfüllt und Alles bewegt, »soweit der Himmel reicht«.
Jeder leuchtende Punkt am Firmamente ist eine Provinz dieses unendlichen
Reiches, vielleicht von lebenden Wesen bevölkert, welche dasselbe Recht
besitzen, wie wir, Kinder eines Vaters zu sein, und nichts Anderes will
Christus, der viel Verkannte und Mißverstandene sagen, wenn er spricht:
»In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen!«
Die Wohnung des Menschengeschlechtes, Erde genannt, welche sich mit einer
Geschwindigkeit von 225 Meilen in der Stunde um sich selbst bewegt, mit
einer Eile von 14,400 Meilen in der Stunde um die Sonne kreist und mit
dieser in noch größerer Schnelligkeit um weitere Centralsonnen wirbelt,
ist eine an den beiden Polen abgeplattete Kugel von 1,719 Meilen
Durchmesser, 5,400 Meilen Umfang, 9,288,000 Quadratmeilen Flächeninhalt
und wiegt ungefähr 140,000,000,000,000,000,000,000,000,000 Centner oder
nahezu 14 Quadrillionen Pfund, eine Größe, für welche die gewöhnlichen
Verhältnisse keinen Maßstab leihen.
Um diese Erde, deren Oberfläche zu 2 Drittheilen aus Wasser und 1
Drittheil aus festem Lande besteht, läuft der Mond mit einer
Geschwindigkeit von 450 Meilen in der Stunde. Er ist im Mittel 51,816
Meilen von ihr entfernt, hat einen Durchmesser von 468 Meilen, einen
Flächeninhalt von ungefähr 663,500 Meilen und einen Körperinhalt, nach
welchem 49 Mondkugeln erst eine Erdkugel bilden würden.
Mit der Erde, welche im Mittel 20,450,000 Meilen von der Sonne entfernt
ist, drehen sich die Planeten um dieselbe, deren größester, der Jupiter,
einen Durchmesser von 19,294 Meilen und einen Flächeninhalt von
1,169,530,000 Quadratmeilen besitzt. Von ihnen steht der Merkur der Sonne
mit einer Entfernung von 8 Millionen Meilen am Nächsten und der Neptun mit
einer Entfernung von 621 Millionen Meilen am Entferntesten.
Die Sonne selbst hat einen Durchmesser von 192,617 Meilen und eine
Oberfläche von 116,556 Millionen Quadratmeilen. Sie wiegt ungefähr 320,000
mal so schwer als unsre Erde und ist 700 mal größer als alle Planeten und
Monde zusammengenommen. Sie dreht sich mit einer Geschwindigkeit von 900
Meilen in der Stunde aller 25 Tage und 10 Stunden einmal um sich selbst
und bildet nicht, wie man irriger Weise angenommen hat, einen Feuerball,
sondern ist eine mit einer leuchtenden Hülle umgebene dunkle Kugel.
Die Kometen oder Schweifsterne, deren man wohl an 700 kennt und über 5000
vermuthet, schwingen sich vielleicht unabhängig von unserer Sonne in
ungeheuren parabolischen Bahnen um andere Sonnen, durchfliegen mehrere
Weltenfamilien und kehren erst nach Jahrhunderten oder Jahrtausenden in
die alten Himmelsgegenden zurück.
Es giebt keine Weltenkörper, welche so wenig Wirkung auszuüben vermögen
als eben diese Kometen, und doch haben sie die frühere, ja zum Theil noch
die gegenwärtige Menschheit in Angst und Schrecken gesetzt. Trotz ihrer
völligen Unschädlichkeit selbst für den Fall einer wirklichen Berührung
mit unserer Erde hat man sie für Boten des göttlichen Zornes angesehen und
Pestilenz, Krieg, Theuerung und alles mögliche Unglück, ja sogar den
Untergang der Welt mit ihrem Erscheinen in Verbindung gebracht.
Die Astronomen haben bewiesen, daß die Erde schon mehrere Male - das
letzte mal am 24. Juni 1819 - durch einen Kometen hindurchgegangen ist und
ebenso, daß solche Sterne in der nächsten Nähe an uns vorübergegangen sind
und in Zukunft wieder vorübergehen werden, ohne daß davon die geringste
Wirkung zu verspüren war und sein wird. Der Grund zu dieser vollständigen
Unschädlichkeit liegt in der außerordentlichen Dünnheit des Stoffes, aus
welchem sie bestehen und welche so bedeutend ist, daß z.B. unsere
atmosphärische Luft mehrere hundert mal dichter noch ist als der
Donati'sche Komet, welcher 1858 erschien.
Ende des ersten Teils – Schluß folgt.