Das Wort Haus erscheint in sehr zahlreichen
Zusammenstellungen mit anderen Wörtern und hat auch an für sich eine gar
verschiedene Bedeutung.
Hauswirth, Hausherr, Hausfrau, Hausmann, Hausknecht, Hauszwist,
Hausfriede, Hausgeräth, Haushaltung, Hausrath, das sind so einige von den
erwähnten Wortverbindungen, keine von ihnen aber ist von einer so hohen
Wichtigkeit, keine von ihnen greift so tief in die verschwiegenen und
zarten Verhältnisse des Privatlebens ein, wie die drei Silben
»Hausschlüssel.«
Welch eine Fülle von guten und schlimmen, ernsten und heiteren,
glücklichen und schauderhaften Erinnerungen dieses inhaltsschwere Wort zu
erwecken vermag, das weiß ein Jeder, sei er nun jung oder alt,
»behauskreuzt« oder unbeweibt, und wenn die Hausschlüssel reden oder gar
schreiben könnten, so würde in kurzer Zeit die Welt von einer wahren
Sturmfluth von offenbarten häuslichen Geheimnissen überschwemmt werden,
welche Jedermann zur Warnung, Abschreckung und - Nachahmung dienen
könnten.
»Wer nie zu lang im Wirthshaus saß,
Wer nie durchklapperte des Winters Nächte,
Weil er den Passepartout vergaß,
Der kennt euch nicht, ihr Schicksalsmächte!«
Da die menschliche Wohnung den ursprünglichen Zweck hatte, die Glieder
einer Familie zu vereinigen, so wird das Wort Haus oft gleichbedeutend mit
Familie gebraucht. »Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen,«
lautet in dieser Beziehung ein bekannter biblischer Ausspruch. Eine
weitere Bedeutung bekommt das Wort, indem es im Sinne des »Geschlechtes«
gebraucht wird und alle Neben- Seitenverwandten der Familie mit ihren
Ahnen bis zurück auf den Stammvater umfaßt. »Das Haus Wlfe, das Haus
Bourbon etc. hat aufgehört zu regieren!« lauteten die Dictate Bonaparte's,
dem nachher selbst die Strophe gedichtet wurde:
»Und zu derselben Stunde
Schließt auch das Grab sich schon;
Das war die letzte Stunde
Vom Haus Napoleon!«
Solch' ein Geschlecht, solch' ein Haus hat oft eine ganz bedeutende
politische, ja weltgeschichtliche Aufgabe zu erfüllen; die Traditionen
erben von Glied zu Glied immer weiter fort, und jedes neu hervorsprossende
Reis des gewaltigen Baumes sucht Blüthen und Früchte zu treiben. Mit den
Kräften wachsen auch die Ziele, und wo das Kind an dem geistigen
Vermächtnisse des Vaters hält und demselben die jeweiligen Verhältnisse
dienstbar zu machen sucht, da erstarkt der Stamm selbst auf sonst
unfruchtbarem Boden, und es wachsen jene kraftvollen Dynastieen heran, von
welchen diejenige der Hohenzollern ein lautzeugendes Beispiel ist.
Auch die Bildersprache hat sich des Wortes Haus bemächtigt, wie man sich
zum Oefteren überzeugen kann. »Du bist ein altes, gutes, treues Haus!«
hört man zuweilen sagen, und es ist diese Redensart keine gedankenlose,
denn man will damit im Character eines Menschen diejenige Traulichkeit und
Gemüthlichkeit andeuten, welche vorzugsweise Eigenschaften solcher
Wohnungen sind, deren Behaglichkeit mit dem Alter gewachsen ist.
»Haus und Hof,« denn zu einem Hause gehört ein Hof, und wer's möglich
machen oder erschwingen kann, der hängt auch noch ein Gärtchen d'ran, von
wegen der Zwiebeln und Petersilie für die »theure« Hausfrau, oder auch um
etwas Levkoj und Reseda zu »erbauen.« So ein Blumen- und Gemüsegärtchen
bietet der Annehmlichkeiten gar viele, und wer's nun gar noch zu einem
Rettigsbirnen- und Franzapfelbaume bringt, der ist schier zu beneiden.
So ist's in der Stadt. Auf dem Lande freilich sind die Verhältnisse
anders; da nehmen die Höfe ganz andere Dimensionen an, und die Gärten
dehnen sich oft über sehr bedeutende Areale. Daß hier der Hof von größerer
Bedeutung ist, beweisen die Bezeichnungen Pachthof, Bauernhof etc., und
sehr oft wird die ganze Besitzung nach dem Namen ihres Inhabers
Ruppertshof, Uhligshof, Petershof oder in Beziehung auf sonstige Umstände
Teichhof, Berghof, Lindenhof, Tannenhof etc. genannt.
Daß der Hof nicht eine zufällige Einrichtung ist, sondern einer
Naturnothwendigkeit entspricht, beweist der Umstand, daß sogar der Mond
einen hat, und wer die Einrichtung desselben kennen lernen will, der mag
sich nur getrost direct an den alten Nachtschwärmer selber wenden, weil
der jedenfalls die beste Auskunft darüber geben kann. Dem haben es
jedenfalls die Kaiser, Könige, Herzöge, Fürsten, Grafen und sonstigen
großen Herren abgelauscht, die sich mit einem Hofe umgeben, dessen Glanz
und Pracht oft mit recht elegischem Schimmer in den Säckel gewisser
Nichthöfler hineinleuchtet. So ein Hof ist etwas gar grausam Vornehmes,
und wer die Erlaubniß bekommt, sich »Hofzweckenschmied« oder
»Hofwichslieferant« zu nennen und zu schreiben, der darf ohne Bedenken
sich an die Brust schlagen und ausrufen: »Gott Lob, ich bin ein großer,
ein gemachter Mann!«
Wer da etwa glaubt, daß man unter einem Hofe nur so ein prosaisches Ding
zu verstehen habe, auf welchem die Frau Nachbarin ihre Wäsche trocknet und
ihre Kartoffeln putzt, der mag sich einmal erklären lassen, was es heißt,
irgend Jemandem »den Hof machen.« Ob diese bildliche Redeweise von dem
französischen cours d'amour abzuleiten ist, oder ob man das dabei zu
beobachtende Gebahren dem befiederten Sultan abgelauscht hat, welcher, mit
dem rothen Fez auf dem Haupte und den Rittersporen an den Füßen, mit
herablassender Würde oder cavaliermäßiger Tournüre sich um die Gunst
seiner gackernden Huldinnen bewirbt, das
Ende des einunddreißigsten Teils.