Dieter Krauße
Herbert Stößer – der stille Karl-May-Verehrer
Herbert Stößer (1901–1968) war ein Karl-May-Freund in der zweiten Reihe, als
solcher nahezu unbekannt, aber bis heute noch eine feste Größe. Er war
Lehrer, insbesondere Zeichenlehrer in Hohenstein-Ernstthal, zuerst an der
Altstädter Schule, dem heutigen Lessinggymnasium, zuletzt tätig an der
Schule im Hüttengrund. Und er war eine Künstlerpersönlichkeit. Bekannt
wurden vor allem zwei seiner Zeichnungen, denn sie kamen mehrere tausendmal
in die Hände sowohl von interessierten Lesern als auch von Forschern zu Karl
Mays Leben und Werk. Für die letzteren ist »ICH«, Band 34 der großen grünen
Reihe von ›Karl Mays Gesammelten Werken‹, die allererste Fundgrube. Und eben
da finden wir in dem vorderen inneren Einband einen Stadtplan und im
hinteren Einband innen einen Plan der Umgebung von Hohenstein-Ernstthal, und
zwar ab der 14. Auflage. Wie war es dazu gekommen? Bereits im November 1939
hatte Dr. Euchar Schmid, Leiter des Karl-May-Verlages in Radebeul, eine
Anregung aus Meran von Felix Ozlberger aufgenommen, diesen Band mit einer
Skizze des Ortsplanes von Karl Mays Geburtsstadt auszustatten. Mit
einer diesbezüglichen Bitte wandte er sich an Hans Zesewitz, den Nestor der
Forschung zur Persönlichkeit Karl Mays, mit dem ihn eine ausgezeichnete
Zusammenarbeit und Freundschaft verband. Zesewitz, auch Lehrer in
Hohenstein-Ernstthal, war von dem Vorschlag hellauf begeistert. Er machte
sich sofort an die Arbeit, war aber mit keinem seiner Entwürfe zufrieden.
»Ich bin eben kein Zeichner«, schrieb er nach Radebeul. Aber: »Nun habe ich
einen meiner Freunde, Zeichenlehrer Stößer von meiner Schule, gebeten, diese
von mir festgelegte Skizze zu zeichnen. Ich glaube, Sie werden zufrieden
sein.« Und ob man zufrieden war in Radebeul! »Die Zeichnung des Herrn Stößer
gefällt uns sehr gut, und wir lassen ihm verbindlichst dafür danken.« So
schrieb Dr. Schmid zurück. Es wurde vereinbart, eine zweite Skizze mit der
Umgebung der Stadt in Auftrag zu geben. Es gab Terminabsprachen, denn die
Zeit drängte wie immer, kleine Veränderungen wurden beraten und ausgeführt,
gegenseitige Bitten wurden erfüllt und im Juni 1940 erschien die 14. Auflage
(66. bis 70. Tausend) von »ICH« mit den beiden Skizzen. Herbert Stößer
erhielt ein Belegexemplar und eine »angemessene« Vergütung, über deren Höhe
heutige Mitarbeiter wohl reichlich erstaunt wären, und er schrieb an Dr.
Schmid: »Am Dienstag übergab mir Herr Zesewitz einen Band der neuen Ausgabe
des »ICH«. Hierfür danke ich aufrichtig. Ich habe mich sehr darüber gefreut,
vor allem auch über die gute Wiedergabe meiner gezeichneten Karten.« Und
auch nach 80 Jahren sollte man heute diese beiden Karten als eine Einladung
zu einem Besuch in Karl Mays Geburtsstadt betrachten. –
Aquarelle, Holz- und Linolschnitte gehörten auch zu
seinen künstlerischen Werken. Im Jahre 1949 schuf er den Entwurf für die
Bronzeplakette des Guthriesteins am alten Sachsenring. James Guthrie war
ein britischer Rennfahrer, der 1937 an dieser Stelle tödlich verunglückte.
Die Abbildung davon ging in Motorsportkreisen durch ganz Europa. Einer
seiner Schüler in der Grundschule, Siegfried Otto-Hüttengrund, 1951 in
Hohenstein-Ernstthal geboren, brachte es zu internationaler Anerkennung.
Nach einem Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden wurde er
freischaffender Künstler. Seine Gemälde, Plastiken und Graphiken konnte
und kann man betrachten in Ausstellungen und Kunstsammlungen in
Deutschland, Polen, Großbritannien, Tschechien, Slowenien, Ägypten
(Kairo), in Australien (Sidney), in den USA (New York) und anderswo.
1945 wurden die beiden Lehrer wie viele andere auch
fristlos aus dem Schuldienst entlassen. Für die erfahrenen Lehrer war es
ein schwerer Schlag. Erst 1953 durften sie wieder ihren geliebten Beruf
ausüben. –
Zur Fünfzigjahrfeier der Stadt Hohenstein-Ernstthal,
die beiden Städte hatten sich 1898 zusammengeschlossen, gab der
›Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands‹ eine Bildermappe
mit zehn Federzeichnungen von Herbert Stößer heraus. Es waren besondere
Ansichten seiner Heimatstadt. Den Begleittext dazu schrieb sein Kollege
und Freund Hans Zesewitz, der sich nicht nur um Karl May, sondern auch um
viele heimatkundliche Themen verdient gemacht hatte. Die Mappe wurde
außerordentlich populär. Viele Jahre später erschienen die Bilder als eine
Ansichtskartenserie. Und in einigen dieser Federzeichnungen kommt die
stille Liebe Herbert Stößers zu Karl May zum Tragen.

Karl-May-Geburtshaus
– »Freilich war das Haus nur drei schmale Fenster breit … dafür war es
drei Stockwerke hoch.«
Rote Mühle
– »Wir gingen nach der ›roten Mühle‹ und ließen uns einige Handvoll
Beutelstaub und Spelzenabfall schenken, um irgendetwas
Nahrungsmittelähnliches daraus zu machen.«
Klausmühle
– deren Örtlichkeiten sich in Karl Mays Romanen nachweisen lassen.
Sankt
Christophorikirche – in der Emma Pollmer und Karl May am 12.
September 1880 getraut wurden.
Altmarkt
– mit dem Eckhaus zur Lichtensteiner Straße,
in dem der Barbier und Zahnarzt Christian Gotthilf Pollmer mit seiner
Enkelin Emma wohnte,
ebenso das Haus in der oberen Reihe, Altmarkt 2, in dem sich das Ehepaar
Emma und Karl May eingemietet hatten.
Quelle
Hans-Dieter Steinmetz: ›Karl May in
Hohenstein-Ernstthal 1921–1942‹, Karl-May-Verlag 2016
Karl
May – Leben und Werk
Reisen zu Karl May – Leben ·
Werk · Erinnerungsstätten