Wolfgang Hallmann

›Lyra zu Ernstthal‹ – Karl-May-Straße 38

 
 
Das Vereinslokal des Gesangsvereins ›Lyra‹, gegründet 1857, befand sich im heutigen Wohnhaus in der Karl-May-Straße 38. Das Haus in der ehemaligen Niedergasse 119 (später Bahnstraße 19) wurde 1834 erbaut, was der Schlussstein mit der Inschrift ›No. 119 G. S. 1834‹ belegt. Einen möglichen Bezug zum Ernstthaler Gesangsverein stellt eine angedeutete Lyra über der Haustür her. Seit spätestens 1876 dient das Haus vorwiegend Wohnzwecken, nur eine Schuhmacherwerkstatt war hier zeitweise untergebracht. 1980 wurde der Gebäudekomplex mit Fassadendetails unter Denkmalschutz gestellt.
 

Lyra – Karl-May-Straße 38

 
Zum 2. November 1857 lud der Vorstand des Gesangsvereins ›Lyra‹ zu einer Generalversammlung ein. Vermutlich stand der Name des Vereins noch nicht eindeutig fest, wie im ›Wochenblatt und Anzeiger für Hohenstein, Ernstthal und Umgebung‹ am 30. Oktober 1857, S. 352, anklingt:
 

Generalversammlung Lyra

 
Am 21. November 1857 wird der Vereinsname ›Lyra‹ im ›Wochenblatt und Anzeiger für Hohenstein, Ernstthal und Umgebung‹, S. 375, erstmals genannt:
 

Versammlung Lyra

 
Weitere ›Lyra‹-Annoncen aus jener Zeit konnten nicht gefunden werden. Einige Jahre später textete und komponierte Karl May für den Verein. Nach eigenen Angaben in seiner Autobiographie Mein Leben und Streben , S. 113, leitete er 1863/64 den Chor sogar:

»Es kehrte mir die Kraft und der Wille zum Leben zurück. Ich arbeitete. Ich gab Unterricht in Musik und fremden Sprachen. Ich dichtete; ich komponierte. Ich bildete mir eine kleine Instrumentalkapelle, um das, was ich komponierte, einzuüben und auszuführen. Es leben noch heut Mitglieder dieser Kapelle. Ich wurde Direktor eines Gesangvereins, mit dem ich öffentliche Konzerte gab, trotz meiner Jugend. Und ich begann, zu schriftstellern.«

Weiter teilt May in Ein Schundverlag, S. 279, mit:

»Ich war bereits seit Anfang der sechziger Jahre Schriftsteller. Aus jener Zeit stammt z. B. die inkriminierte Novelle ›Wanda‹, die ich später Münchmeyer für nur einen Abdruck überliess«

Die erste Strophe von Nottourne, für ›Lyra‹ komponiert, wird in Wanda verwendet, ebenso 1875 im Buch der Liebe und 1884/85 im Lieferungsroman Der verlorne Sohn oder Der Fürst des Elends. Im Kapitel In der Heimath aus Satan und Ischariot wird ›Lyra‹ in Zusammenhang mit einer Komposition des Ich-Erzählers vielsagend thematisiert:

»Ich als Vorstand unseres Vereines ›Lyra‹ erkläre hiermit …« (Zitiert nach ›Old Shatterhand in der Heimat‹, Gesammelte Werke Bd. 79, S. 112; im Manuskript S. 1876)

Ende Dezember 1862/Anfang Januar 1863 muss ein »Vocalconzert der ›Lyra‹-Sänger gemeinsam mit dem Gesangsverein Liederkranz« stattgefunden haben, denn anlässlich einer »Christbescheerung für arme Schulkinder« am 11. Januar 1863 spendeten beide Vereine zusammen 10 Taler aus Erlösen eines gemeinsamen Konzertes. Der Verein ›Lyra‹ dürfte nach 1864 eingegangen oder unter anderem Namen weitergeführt worden sein. Eventuell wurde er in den ›Sängerkreis Ernstthal‹ übernommen. Mindestens drei Zeitungsannoncen aus dem Jahre 1863 bezeugen Auftritte Mays. Weitere derartige Auftritte im Zeitraum 1863/64 lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen. Bei seiner musikalischen Betätigung griff er auf Kenntnisse und Fähigkeiten zurück, die er mit dem Unterricht von Kantor Strauch und durch die solide Musikausbildung im Waldenburger und im Plauener Lehrerseminar erworben hatte.

1863/64 entstanden verschiedene Kompositionen für den Gesangsverein ›Lyra‹, u. a. sind von ihm bekannt:

Vermutlich um 1864 entstanden die musikalischen und textlichen Entwürfe für Die Pantoffelmühle, eine Originalposse mit Gesang und Tanz in acht Bildern von Karl May.

Das Wohnhaus in der Ernstthaler Karl-May-Straße 38 ist als ehemaliges Vereinslokal des Gesangsvereins ›Lyra‹, wie die Beispiele zeigen, eine wichtige Karl-May-Stätte, die besondere Aufmerksamkeit verdient.
  

Lyra Gedenktafel



 

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