Harald Mischnick |
Gasthof ›Stadt Chemnitz‹ |
Eine der wichtigsten Karl-May-Stätten in seiner
Geburtsstadt ist der Gasthof ›Stadt Chemnitz‹ (›Kästl‹) in Ernstthal,
früher ›Gasthof zum grauen Wolf‹, der bedauerlicherweise seit Sommer 2017
geschlossen ist. May spiegelt ihn in ›Die Sclaven der Arbeit‹, der zweiten
Abteilung seines Kolportageromans ›Der verlorne Sohn‹, in der Bearbeitung
als ›Das Buschgespenst‹ bekannt.
Nach der Schließung droht dem historischen Gebäude zunehmend die
Baufälligkeit.
Eine Sanierung und Wiedereröffnung des Gasthofs wäre aus
heimatgeschichtlichen und kulturellen Gründen von überregionalem
Interesse.
Die Kaufbücher für Ernstthal setzen leider später als die Kirchenbücher,
im Jahre 1707, ein. Die Suche in den Archivalien ergab, dass
jahrzehntelang zwei Gastwirte namens Johann Daniel Wolf gleichzeitig in
Ernstthal lebten. Frühe Kaufverträge lassen beide Häuser einwandfrei
lokalisieren, so als der eine Johann Daniel Wolff am 22. Mai 1770 an
seinen gleichnamigen Sohn verkauft: »Nehmlich es verkaufft obgedachter
Daniel Wolff seinen alhier habenden den 1ten October 1721 in Lehn
erhaltenen Gasthof, nebst Scheuer, Seiten-Gebäude, und den daran
befindlichen Garten, wie solcher alhier am Marckte zwischen Friedrich
Bernhard Läßigs, und Johannen Rosinen Heilmann in Häußern innen liegt […]«
um 500 Gulden. Der andere ist schon gestorben, als seine Erben ihn am 15.
August 1774 um 650 Gulden an Christoph Friedrich Großer veräußern, der
aber schon am 17. Oktober 1775 an Christian Friedrich Wolff
weiterverkauft: »Gasthof zum grauen Wolf genannt mit allem Einund Zubehör
besonders auch die daran gelegene BergWiese und vormals dazu erkauften
Mehnerischen Garthen, wie solches alles auf der hinteren Gaße zwischen
Johann Gottlob Mehners Hauße und dem hinteren Fahrwege daran die
Lichten-steiner Grenze lieget, und in Rainen und Steinen erfaßt istzusamen
besagte Rosinen von ihrem Ehemanne Daniel Wolffen Inhalts der unterm 9.
Juni 1774 darüber ausgefertigten Urkundt am 17. May 1751 p 600 fl käuflich
angenommen und in Lehn erhalten mit allem was im sothanenen Gasthof und
zugehörigen Grundstück Erd-Wied-Nied-Wand-Bau-Mauer-Nagel-und Rasenfest
ist, ferner mit allen Recht- und Gerichtmäßigkeiten, Nutzungen, und darauß
hafftenden Beschwerungen […]« Dieser Verkauf ist natürlich nicht der
älteste Nachweis für die Existenz des Gasthofs. Am 7. Juni 1735 wird die
Heirat des Johann Daniel Wolff in das Kirchenbuch Ernstthal eingetragen:
»Herr Daniel Wolf, Bürger und Gastwirth ›Zum grauen Wolf‹ alhier, ein
Junggeselle, weil. Herrn Esaias Wolfs, […] Posthalters […] Landrichters
und Gastwirth zu Oberlungwitz, nachgelassener ehel. ältester Sohn«; seine
Braut ist Rosina, einzige Tochter des Christoph Semmler, Bauer und
Einwohner in Limbach. Ausweislich seines Sterbeeintrags von 1771 ist er im
Jahre 1700 geboren worden.
Ob Johann Daniel Wolff auch der Erbauer des Gasthofs ist, kann vielleicht noch geklärt werden. Auf einer Zeichnung, die Ernstthal im Jahre 1688 zeigt, ist der ›Graue Wolf‹ noch nicht vorhanden. Auch der andere Johann Daniel Wolf stammt aus Oberlungwitz und heiratet als ältester Sohn des Martin Wolff, Bauer und Einwohner ebenda, laut Aufgebot vom 22. Sonntag nach Trinitatis 1721 in Ernstthal Rosina, älteste Tochter des Johann Landrock, Bauer und Einwohner in Oberlungwitz.
Der historische Gasthof in Ernstthal, zwei Fußminuten vom Karl-May-Haus entfernt, war bis zu seiner Schließung eine Institution. Sehr viele Termine fanden rund um Karl May im Veranstaltungssaal hochinteressierte Besucher, so am 25. Februar 2015 eine Karl-May-Gedächtnisfeier, exakt hundert Jahre nach der letzten ihrer Art, seinerzeit mitten im Ersten Weltkrieg und in Berlin.